Brühler Kunstverein
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Isoliertes System - Installation von Julia Eltner

Ausstellung vom 22. Oktober bis 18. November 2006

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Julia Eltner wurde 1969 in Bonn geboren. Sie hat in den Niederlanden Kunst studiert und lebt seit 1996 in Hamburg. Auch wenn sie sich auf kein bestimmtes künstlerisches Medium festlegen möchte, so fällt auf, dass einige Elemente in ihrer Kunst dominieren. In ihren Installationen, Objekten, Foto- und Papierarbeiten spielen die Materialien Wachs und Vakuum-Flaschen eine wichtige Rolle. Vakuum-Flaschen: das zerbrechliche, gläserne Innere von Thermoskannen. Mit ihren spiegelnden Oberflächen, ihren konkaven und konvexen Formen reflektieren, verzerren und vervielfältigen sie den Raum und den Betrachter.


Isoliertes System; ©BKV
Isoliertes System.
Dewargefäße, Wachs auf Styrodur, Holz, 2006


Julia Eltners aus Wachs und Vakuum-Flaschen erstellte Objekte sind eigentümliche Wesen. Zwischen Apparaten und Organismen, zwischen tot und lebendig, scheinen sie beides gleichzeitig zu sein, als sei die Technik selbst lebendig geworden und könnte doch nie den Status des Lebendigen erreichen. Dieses Gefühl der unerreichbaren Vollendung resultiert auch aus der raupenartigen Form: Die Innengefäße scheinen sich aus ihren aus Styroporbahnen und Wachs gebildeten Hüllen herauszurecken und zu winden, sie scheinen sich ihrer entledigen zu wollen wie ein Schmetterling seines Kokons. Doch die Hüllen sind ihre Körper und bleiben dies auch.

In Brühl zeigt Julia Eltner neue Arbeiten. Die raupenähnlichen Objekte liegen nun nicht mehr auf dem Boden, sondern befinden sich auf Augenhöhe mit dem Betrachter. Durch einen Holzverschlag werden sie wie wilde Tiere behütet. Der Besucher wird durch das Betreten des Raums / der Installation Teil dieses isolierten Systems. Er wird mit der Frage konfrontiert, wessen Schutz die hölzernen Käfige eigentlich dienen? Wer beobachtet und reflektiert hier wen? Wer ist Subjekt, wer Objekt?

Im Rahmen der Ausstellung bietet der Brühler Kunstverein Jahresgaben von Julia Eltner an.

Biografische Angaben
Julia Eltner wurde 1969 in Bonn geboren. Sie studierte "monumentale kunst" an der Akademie für bildende Kunst (AKI akademie voor beeldende kunst) in Enschede / Niederlande (1990 - 1995). Seit 1996 lebt und arbeitet Julia Eltner in Hamburg.

Julia Eltner hat viele Projekte im öffentlichen Raum umgesetzt sowie zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland durchgeführt.

Weitere Informationen zur Künstlerin erhalten Sie auch unter www.juliaeltner.de.


Julia Eltner - "Isoliertes System"

Ein "isoliertes System" präsentiert uns diese Ausstellung. Doch um welches System geht es hier, wie weit erstreckt es sich und klammert es uns aus oder schließt es uns ein?

Ein isoliertes System per definitionem, bei dem weder Energie noch Materie ein- noch ausdringen kann, begegnet uns zunächst einmal im Ausgangsmaterial der merkwürdigen, in Holzverschlägen eingepferchten, giftgrünen Objekte, die uns hier auf Augenhöhe begegnen. Tatsächlich bestehen ihre raupenähnlichen Gestalten nämlich aus mit Wachs und Styropor ummantelten Vakuum-Gefäßen, also dem Inneren von Thermoskannen, das im verschlossenen Zustand mit seinem komplexen doppelwandigen Aufbau aus verspiegeltem Glas ein eigenes isoliertes System bildet.

Hier aber sind die Vakuum-Flaschen offen, tragen keinen Verschluss und lassen einen Blick in ihr verspiegeltes Inneres zu, der neben ihren ästhetischen Formen und Färbungen den eigentlichen Reiz für Julia Eltners Kunst ausmacht. In dieser Installation bindet die Künstlerin die Gefäße in körperhafte Objekte ein, die aus der Serie mit dem Titel "Mein heimliches Auge" stammen. Der Titel bezieht sich direkt auf die spiegelnden Gefäßöffnungen. Durch die Tiefe und durch die Reflexion entsteht der Eindruck, als könnten die Skulpturen sehen, sich gegenseitig, den sie umgebenden Raum und jeden, der sie anblickt. Insoweit besitzen sie Augenfunktion, als dass über die gegenseitigen Spiegelungen die Skulpturen miteinander und mit ihrer Umwelt in eine Art optischen Dialog treten. Zwar sind die grünen organisch anmutenden Objekte durch kleine splittrige Zäunchen von uns getrennt, doch sind sie keineswegs von uns im strengen Sinne isoliert. Dieses Skulpturen-System erweist sich bei näherer Betrachtung im Gegenteil als geradezu einladend offen, denn indem man in die augenähnlichen Öffnungen hineinblickt, wird der eigene Blick gespiegelt. So entsteht ein aktiver Austausch von Blicken. Der Blickkontakt wird unterstrichen, indem Julia Eltner im Brühler Kunstverein ihre Skulpturen zum ersten Mal auf Augenhöhe zum Betrachter präsentiert. Zuvor lagen sie auf dem Boden oder hingen hoch an der Wand. Hier so unmittelbar gegenübergestellt wird der Eindruck der auf Gegenseitigkeit angelegten Blicke zwischen Objekt und Betrachter enorm intensiviert. Das Gefühl eines Austauschs wird verstärkt. Es entsteht ein Wahrnehmungssystem, doch auch das ist nicht isoliert, sondern im Gegenteil ein offenes Miteinander.

Natürlich ist die tatsächliche Wahrnehmung einseitig. Durch den Blick in die spiegelnden Vakuum-Gefäße ergibt sich lediglich eine Reflexion, dies jedoch im doppelten Sinne, nicht nur optisch-visuell, sondern auch kognitiv. Insofern sind die Skulpturen der Dreh- und Angelpunkt unserer eigenen Wahrnehmung, ermöglichen das Sehen vom Anderen, aber auch den Blick auf uns selbst. Dieser verzerrte, sich mit unseren Bewegungen mitbewegende Blick von außen vermittelt den Eindruck, es in der Tat mit einer Art lebendigem Gegenüber mit sehenden Augen zu tun zu haben.

Isoliertes System - Gesamtansicht; ©Julia Eltner
Isoliertes System, Gesamtansicht
Dewargefäße, Wachs auf Styrodur, Holz, 2006



Isoliertes System - Einzelobjekt; ©Julia Eltner
Isoliertes System, Einzelobjekt


Zu diesem Gedanken verleitet auch die Formgebung unter Verwendung bekannter Vorlagen aus der Fauna. Auch das Einsperren in eine Art Käfig trägt dazu bei, die Objekte in der eigenen Vorstellung zu kleinen Biestern mutieren zu lassen. Die Ähnlichkeit zu Raupen ist anhand der organisch anmutenden Wachs-Ummantelung und ihrer durch den formbaren Wachs möglichen bewegt-gekrümmten Haltung nicht von der Hand zu weisen. Gerne würden wir einmal mit dem Finger über die warm wirkende Oberfläche streichen, respektieren aber – nicht nur, weil man das bei Kunst ja nicht macht – dass der Zaun die Tierchen vielleicht genau vor dieser Art von Zugriff schützen soll. So bleiben wir also dabei, der Einladung einer optischen Kontaktaufnahme über den Blickkontakt zu folgen. Je länger man hinschaut, um so sympathischer erscheinen einem die eingegitterten Wesen. Ihre grüne Farbe wirkt bei weiterer vorsichtiger Annäherung gar nicht mehr so giftig, sondern fast clownesk. Hier haben wir es wohl mit kleinen Spaßvögeln zu tun.

Selbstbewusst sind sie geworden. Während sie in früheren Installationen Julia Eltners noch verschämt in weiß daher kamen und sich farblich kaum vom Untergrund weißer Wände abhoben, allemal eine blasspastellene Babyfarbe mit sich brachten, die zumindest unseren Beschützerinstinkt angesichts der gewickelten säuglingsgroßen Geschöpfe weckte, so beweisen diese hier Mut zur Farbe. Auch krabbeln sie nicht mehr devot auf dem Fußboden herum wie in vorangegangenen Installationen, sondern blicken uns direkt auf Augenhöhe an. Aber dieses Selbstbewusstsein können sie sich auch leisten. Geht es Ihnen nicht auch so, je länger wir in einem Raum mit ihnen zusammen sind, umso mehr wachsen sie uns ans Herz. Echte Sympathieträger, diese kleinen Biester. Warum also noch der Schutzwall, der ja eh schon löchrig ist. Isolierhaft unnötig, die Tierchen sind doch als harmlos entlarvt. Vielleicht aber nur deshalb, weil wir selbst ein Stück von unserem Zaun aufgegeben haben. Weil wir uns der in dieser Ausstellung präsentierten Installation öffnen konnten und damit aus unserem eigenen isolierten System herausgetreten sind. Sollte das gelungen sein, haben wir in dieser Ausstellung viel gesehen.

Eröffnungsrede zur Ausstellung von Pia Gamon, Kunsthistorikerin



Impressionen der Ausstellungseröffnung

Günter Wagner, ©BKV Pia Gamon, ©BKV
Günter Wagner eröffnet die Ausstellung

 Pia Gamon hält eine Einführung in des "Isolierte System"
Julia Eltner, Pia Gamon, Günter Wagner, ©BKV Julia Eltner, Dr. Hörstrup, ©BKV
Julia Eltner, Pia Gamon, Günter Wagner (v.rechts)

 Die Künstlerin im Gespräch mit Dr. Hörstrup
Besucher der Ausstellung, ©BKV Besucher der Ausstellung, ©BKV
Besucher vor der Installation

Aufnahmen: Boll, ©BKV