Brühler Kunstverein
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Joshua Zielinski - Festhalten

Ausstellung vom 26. April bis 18. Mai 2024

Joshua Zielinski - Aus der Serie Keile: Kolbe Museum

Joshua Zielinski, Aus der Serie Keile: Kolbe Museum – 2023 – Foto © Joshua Zielinski

Joshua Zielinski, der sich mit Begriffen und Konzepten der Bildhauerei auseinandersetzt, bezieht sich in seinen jüngsten Arbeiten zunehmend auf die erweiterten Kontexte des jeweiligen Ausstellungsorts. Dabei dienen ihm die räumlichen, sozialen oder historischen Rahmenbedingungen oder die Eigenschaften eines bestimmten Mediums als Ausgangspunkte für seine Arbeit. Dabei kann es sich um eine Skulptur aus einem Findling handeln oder auch um eine ortsspezifische Performance oder Installation.
Für die Ausstellung im Brühler Kunstverein – seine erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland – entwickelt Zielinski neue Arbeiten, die sich auf den Standort des Vereins in der Alten Schlosserei des Marienhospitals beziehen.

Joshua Zielinski, geboren 1986 in Michigan, USA, absolvierte 2008 einen Bachelor of Fine Arts an der Western Illinois University. 2009 setzte er sein Studium an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin fort, welches er 2012 mit einem Diplom in Bildhauerei und 2013 als Meisterschüler von Prof. Berndt Wilde abschloss. Joshua Zielinski lebt und arbeitet in Berlin.

Weitere Informationen

Zu Joshua Zielinski auf seiner Homepage: joshuazielinski.com


Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger als PDF über die Ausstellung: Im Krankenhaus Inspiration gefunden (H.Styrie, 27.04.2024)

Informationen zu Ludger F.J.Schneider und dem Instrument Theremin: ludgerschneider.de

"Stein wird oft als der Inbegriff von Dauerhaftigkeit und Stabilität angesehen. Betrachtet man jedoch die Geologie des Steins, so ist er weit von der Vorstellung der Ewigkeit entfernt. Die Geschichte der Steine besteht aus dem Entstehen und Vergehen physikalischer und chemischer Bindungen. Verfestigung, Metamorphose und Sedimentation – aus der Ferne betrachtet erweist sich der Kreislauf des Gesteins als ein Prozess der ständigen Veränderung."
Joshua Zielinski

Tränen gleiten das Blech hinab

Einführung von Michael Stockhausen zur Vernissage

Joshua Zielinski (*1986 in Michigan, USA, lebt und arbeitet in Berlin) ist Bildhauer, meist fertigt er Skulpturen aus Stein. Dabei interessieren ihn performativen Dynamiken und ein ortspezifisches Sich-Einlassen. Wie passt das zusammen? Traditionell arbeiten Bildhauer*innen an der Ewigkeit. Sie schaffen die steinernen Zeugnisse der Geschichte. Ephemere Performance Art oder ortsspezifische Installationen sind eigentlich nicht ihr Metier. Zielinski versucht jedoch das Ewige mit dem Flüchtigen zu verbinden. Denn sind nicht selbst die steinernen Denkmäler den Stürmen der Geschichte ausgesetzt?

Als der Künstler 2023 eingeladen war, eine Skulptur für den Platz der Vereinten Nationen in Berlin anzufertigen, recherchierte erst einmal dessen vergessene Geschichte und brachte sie als Infotafel an dem Platz an. In der DDR wurde aus dem Landsberger Platz der Leninplatz. Ein 19 Meter hohes Lenindenkmal zierte ihn, der Abbau wurde 1991 beschlossen. Man vergrub die Skulptur im Köpenicker Forst. 2015 wurde der Kopf geborgen, heute ist er in der Zitadelle ausgestellt. Ihm fehlt ein Teil des linken Ohrs. Während der Wirren der jüngeren Geschichte wurde es abgeschlagen und gilt als verschollen. Zielinski legte auf den Platz, der heute den Vereinten Nationen gewidmet ist, ein linkes Ohr. Zu Fuß brachte der Künstler sein vergleichsweise kleines Denkmal vorbei, anstatt sich von dem bildhauerischen Größenwahn der Geschichte anstecken zu lassen. Nun liegt dort ein steinernes Ohr der Geschichte, das auf das Gewesene und auf das tägliche Gezwitscher der Vögel horcht.

Auch die Ausstellung „Festhalten“ entwickelte Zielinski in erster Linie nicht aus dem Stein, sondern aus dem Ort heraus. Nachdem er von seiner Einzelausstellung in dem Kunstverein Brühl erfuhr, reiste der Künstler aus seiner Wahlheimat Berlin an. Hier fand er einen Ausstellungsraum vor, der zu dem Areal und der Geschichte des Marienhospitals gehört. Zielinski ließ den Raum auf sich wirken, schaute sich im Hospital um und ging ins Stadtarchiv. Was mag in der Alten Schlosserei, dem heutigen Ausstellungsort des Kunstvereins, einst gefertigt worden sein? Neu sind in Zielinskis künstlerischem Schaffen die metallenen Sockel-Situationen: Elegant gebogene und matt-schwarze Rohre tragen die Steinskulpturen. Die metallenen Sockel schuf Zielinski angeregt von dem Ort, aber auch von den vielen Geländern, Handläufen und dem alltäglichen Hospital-Inventar, das er nebenan in dem Krankenhaus vorfand.

„festhalten“: Der Titel ist ein Verb und verweist auf das Tun, Prozesse des Machens, auf Körper und Objekte. Lässt man das Arrangement im Brühler Kunstverein auf sich wirken, ist ein „verbischer“ Charakter auszumachen. Die Steinskulpturen liegen, lagern, kippeln, lehnen sich an. Nichts erscheint hoheitsvoll präsentiert, wie es in der Kunst oftmals üblich ist. Eine fragile Balance durchzieht den Raum. Das Einzige, was an der Wand präsentiert wird, sind die kleinen Bronzegüsse an der Stirnseite. Kleine Figuren könnte man meinen. Beim Nähertreten ist eine Keilform erkennbar, die allen Güsse zu Grunde liegt. Zielinski sammelt seit einiger Zeit Türkeile aus bekannten Ausstellungshäusern. Ihn interessieren neben den dort präsentierten Kunst-Dingen auch die Objekte, die im Raum sind, aber nicht als „Kunst“ klassifiziert werden: Feuerlöscher, Sitzmöbel oder eben Türkeile. Sie zählen in einer Ausstellung zu den tuenden Objekten und nicht zu den ruhenden Kunstobjekten. Das performative Radar des Künstlers nimmt sie wahr – und mit, um sie im Gießprozess zu eigenen Charakteren heranwachsen zu lassen.

„Festhalten“... – auf dem Areal des Marienhospitals Brühl bekommt das Verb eine existenzielle Färbung. Was bedeutet es, festzuhalten, wenn das eigene Leben auf Messers Schneide steht? Und was heißt dann „loslassen“? Was hält mich in Notsituationen fest? Der aufgebahrte, weiße Steinkörper, die rot-fleischerne Skulptur, die wacklige Übereck-Lagerung oder das gräuliche Steinkissen verweisen auf die Kunst und das Leben, auf Lebensmomente, die nebenan oftmals von Fragilität, Verwundungen, dem Ringen um einen festen Stand geprägt sind. Ins Ungleichgewicht bringt Zielinski die bearbeiteten Steine und lässt sie mit den Stahlgestellen einen Balanceakt eingehen. Die Sehnsucht nach festem Halt entsteht meist dann, wenn man das Gleichgewicht zu verlieren droht – die Angst vor dem Sturz ins Bodenlose, die unsicher wachliegende Krankenhausnächte bestimmen kann.

Der Blick fällt auf das glänzende Blech, das hochkant an der Wand lehnt. Frische Flexspuren sind zu sehen. Sie reflektieren besonders spielerisch die einfallenden Lichtstrahlen. In der Breite entspricht das Maß den Vorschriften für eine rollstuhlgerechte Tür; auch das konnte Zielinski in dem Krankenhaus nebenan recherchieren. Der Künstler nahm mit der Flex die bei diesem Blech sonst hervorstehenden Grate weg&xnbsp;– die Vorsprünge, die auf Schrägen einem Rollstuhl oder dem Fuß Halt geben. Der Funktion enthoben und als Kunstwerk ausgestellt, bleibt der Blick an den Flexreflexionen genau dort hängen, wo der Fuß nun haltlos abrutschen würde. Als aufgestelltes Relief lässt der Künstler das Blech von der Alltags-Achse in die Kunst-Achse hinübertreten. „Tränenblech“ wird es im Metallfachhandel genannt, ein Wort, das in der Ausstellung nachklingt. In den Werken von Joshua Zielinski bilden Kunst und Alltag, Geschichte und Gegenwart eine fragile Balance. Tränen gleiten das Blech hinab, festhalten ohne festen Halt.

 

Bilder von der Eröffnung

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Die Vorsitzenden des Kunstvereins, Gaby Zimmermann und Karola Meck-Theben, der Künstler Joshua Zielinski, Stefan Grathwohl
von der Kreissparkasse Köln, die die Ausstellung großzügig unterstützte, und der Kunsthistoriker Michael Stockhausen (v.l.n.r.)


BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Der Brühler Medienkünstler Ludger F.J.Schneider bei einer Performance mit dem elektronischen Instrument Theremin

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Gaby Zimmermann stellt den Künstler Joshua Zielinski vor

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Der Kunsthistoriker Michael Stockhausen, extra aus Wilhelmshaven angereist, führte unterhaltsam in die Ausstellung ein

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Etwas verloren - ein Kunstwerk inmitten der Publikumsfüße

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Zahlreiche Besucher bei der Vernissage

BKV Ausstellung Joshua Zielinski

Ein Moment meditativer Betrachtung

Blick in die Ausstellung

BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski


BKV Ausstellung Joshua Zielinski



Fotos: G.M.Wagner