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Thomas Reifferscheid - Im Kontinuum

Ausstellung vom 12. März bis 2. April 2023



Thomas Reifferscheid  -  Im Kontinuum

Balance – 2018 – Gabbroid - 176 x 15 x 15 cm

Zur Ausstellung

Beim ersten Blick auf die Skulpturen von Thomas Reifferscheid erweist sich sein bevorzugtes Material, das tiefschwarze Gabbroid-Gestein, als besonders markant. Mit diesem sehr harten Stein aus Schweden arbeitet der Künstler in einem elementaren Formen-Kanon von Ringen, Kuben und Stelen. Dennoch sind seine Skulpturen komplex, wenn etwa Eckiges fast unmerklich in Rundes übergeht, Flaches mit Gewölbtem und tiefgründig Geschliffenes mit unbehandelten und deshalb schrundigen Oberflächen kontrastiert.
Die natürliche Schönheit des gegebenen Materials aufleben und die künstlerische Idee darin sinnlich sichtbar werden zu lassen, ist das Besondere, das es zu entdecken gilt. Neben der stetigen Auseinandersetzung mit dem bevorzugten Gabbroid finden sich auch einige farbige Gesteine. Allen zu eigen ist ihr hartes und widerständiges Gefüge. Der dadurch bedingte stark verlangsamte Arbeitsprozess ist für den Bildhauer von besonderer Bedeutung.
Das innere Bewegen der künstlerischen Idee beschreibt Reifferscheid als einen kontinuierlichen Prozess "in einer Art innerer super slow motion". Es gibt keine Skizzen oder Zeichnungen vorab, angerissen wird am Stein, und eine neue Idee formuliert sich immer aus dem Stein heraus.
Die Skulpturen von Thomas Reifferscheid finden sich inzwischen international bis hin nach Australien. Mit dem 5. Kontinent verbindet ihn eine besondere Liebe und er ist ihm zu einer zweiten Heimat geworden. Immer wieder entstehen auch dort größere Skulpturen für den öffentlichen Raum.
(Text: M.Schultz)

Zum Künstler

Thomas Reifferscheid wurde 1962 in Bochum geboren. 1984 - 1987 Studium der Bildhauerei an der Alanus-Kunsthochschule in Alfter bei Bonn. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin und Köln.

Weitere Informationen zu Thomas Reifferscheid finden Sie im Internet unter: www.thomas-reifferscheid.de

Einen Katalog zur Ausstellung im PDF-Format gibt es hier: Katalog Ausstellung Reifferscheid


Eröffnungsrede zur Ausstellung "Thomas Reifferscheid – Im Kontinuum" v. Michael Schneider, Kunsthistoriker, Köln

Liebe Frau Zimmermann, liebe Besucherinnen und Besucher, lieber Bildhauer – Steinbildhauer Thomas Reifferscheid,

Stein ist nicht gleich Stein. Die Exponate, mit denen wir hier konfrontiert sind, bestehen fast alle aus Gabbroit. Dieses Gestein bildet sich aus flüssigem Magma, das aus dem Erdinneren aufsteigt und währenddessen langsam erkaltet. Das Material fällt also noch im Erdinneren an, nicht erst nach dem Austritt des Magmas infolge vulkanischer Aktivitäten. So entsteht Basalt, der in seiner Struktur nicht so fein wie Gabbroit ist.

Im bruchrauen Zustand ist die Färbung des Gabbroits anthrazit, geschliffen wird er schwarz. Je feiner er geschliffen wird, je tiefer erscheint die Schwarzfärbung. Bisweilen zeigt der Stein auch Verkrustungen – zumeist rostrote/braune Färbungen durch Oxidationsprozesse an seiner Oberfläche, die über Tausende / Millionen von Jahren entstanden sind.

Während des Studiums der Bildhauerei an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn hat Thomas Reifferscheid sich früh auf Gestein konzentriert. Zwar bearbeitete er immer wieder auch Hölzer, doch schätzt er den Widerstand, die Wertigkeit und Dauerhaftigkeit der besonders harten Steine. Mit ihrem universellen Ursprung schaffen sie eine ideelle Verbindung zur Erdgeschichte und – bezüglich der Geschichte der Menschheit – zur frühen Hochkultur der Ägypter, die diese Gesteinsart für viele ihrer kultischen Statuen verwendet haben.

Und das ist nahezu ein Alleinstellungsmerkmal, denn im Allgemeinen werden in der Bildhauerei weichere Gesteinsarten bevorzugt, etwa Marmor oder Kalkstein. Ohne Vorzeichnung, ohne Skizze, arbeitet Thomas Reifferscheid direkt am Stein. Er will das jeweilige Stück nicht überformen, nicht willkürlich ein Motiv umsetzen. Es geht ihm um den Charakter des Ausgangsblocks und um eine skulpturale Lösung, die daraus abgeleitet werden kann. Er hat Respekt vor dem Stein. Kein Zersägen beispielsweise eines besonders langen Steingebälks etwa in verschiedene Quader, sondern daraus wird sicher eine aufrechte Stehle oder eine ausbalancierte waagerecht liegende Anordnung. Verschiedene Quader werden entsprechend aus verschiedenen kompakten Brocken erstellt.

Das setzt voraus, dass der Ausgangsblock jeweils mit Bedacht gewählt wurde, eine Arbeit, die vor Ort, im Steinbruch geleistet wird. Dort – meist in Schweden, aber auch in Australien – besichtigt Thomas Reifferscheid die bereits aus der Wand gelösten Steine und denkt intensiv über die ihnen inne liegenden Möglichkeiten nach. Ein kontemplativer Prozess, der die Grundlage für alles weitere bildet und der wiederum auch eine kulturhistorische Komponente enthält, denn war es nicht der große Künstler der Renaissance, Michelangelo, von dem sinngemäß der Ausspruch stammt: "In jedem Steinblock ist eine Figur eingesperrt, die nur darauf wartet, befreit zu werden."?

Nun ist in unserer Gegenwart die Figur zwar längst in etwas abstrakt Neues und Eigenständiges überführt, doch muss auch dieses – eingesperrt im Stein – gesehen werden, damit es befreit werden kann. Die Befreiung beginnt, sobald der Stein in Thomas Reifferscheids australischem, Berliner oder Kölner Atelier angekommen ist. Dort legt er das Verborgene frei, in einem langsamen Prozess der ständigen Befragung und des Dialogs mit dem Werkstück. Kleine Wendungen und Drehungen, leichte Abweichungen von der Idee, können dann noch entstehen, Kürzungen oder Stauchungen – es gibt ja keine Blaupause. Nur das nach und nach sichtbar und spürbar werdende Erfordernis des Materials bestimmt den Weg. So entstehen in handwerklich perfekter Qualität künstlerisch austarierte Kuben, Stelen und Ringe – ein gewisses Vokabular an Grundformen im Werk von Thomas Reifferscheid, denen in den Titeln Beischriften wie "Elementare", "Strahlen", "Halm" oder "Konstellation" gegeben sind.

Häufig sind in diesen Werken Übergänge von geschliffenen Partien zu bruchrauen Flächen zu finden. Verkrustungen bilden oft den Ausgangspunkt für eine Formentscheidung und werden gerne vorgestellt. Das schwere Material zeigt samtige Schwingungen, Übergänge von konvexen zu konkaven Situationen, begleitet von subtilen Graten, Kämmen und Kanten. Keine Form ist wirklich konkret, präzise mathematisch und kantengerade. Vieles trägt Spannung in sich, alles scheint jedoch aus der Natur abgeleitet. Der unregelmäßige Kubus als Grundform der Kristallisation, das Aufrechte/Senkrechte als menschliche Daseinskomponente, die Kreisbahn und Zirkulation als planetare Ordnung. Selbst die fein geschliffenen Kanten sind zwar betont und gehäuft, doch ihrem Ursprung nach von dem Phänomen der Windkantenerosion abgeleitet.

In der faktischen Präsenz des schweren Materials ruft Thomas Reifferscheid mit großer Sensibilität eine lustvolle Leichtigkeit der steinalten Artefakte auf und spielt nebenbei mit kunstgeschichtlichen Verweisen. Denn indem seine Ringe als Reliefs aus der Wand heraustreten bzw. seine fünf "Endlos" Kuben aus dem rohen Block erwachsen und dennoch weiterhin in der Wand feststecken bzw. sich vom Block nicht lösen können, ereilt sie das gleiche Schicksal wie die vier sogenannten Boboli-Sklaven des bereits zitierten Künstlers Michelangelos. Auch sie bleiben auf ewig verbunden mit dem Stein, aus dem sie werden und an dem sie haften.

Als Gestein weisen die weißen Marmorblöcke Michelangelos kaum eine individuelle Note auf. Das ist im Werk Thomas Reifferscheids deutlich anders: Er erlaubt seinem Werkstoff, die eigene Historie zu zeigen. So sind wir als Betrachter, so bin ich, so sind Sie in dieser Ausstellung im räumlichen Verbund mit den Steinskulpturen gefordert, mit je einer doppelten Relation umzugehen: Kunstwerk ist nicht gleich Kunstwerk, Stein ist nicht gleich Stein.

 

Bilder von der Eröffnung

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Die Vorsitzende des Vereins, Gaby Zimmermann, stellte den Bildhauer Thomas Reifferscheid (r) und den Kunsthistoriker Michael Schneider vor.

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Michael Schneider führte in das Werk des Künstlers ein.

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Das zahlreich erschienene Vernissage-Publikum lauschte gebannt den Ausführungen.

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Anschließend gratulierte Gaby Zimmermann dem 150. Mitglied des Vereins, Johannes Schmitz-Sauermann, und überreichte ihm ein Präsent.

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Die beiden Vorsitzenden des Vereins, Gaby Zimmermann und Karola Meck-Theben mit dem Künstler Thomas Reifferscheid und dem Kunsthistoriker Michael Schneider

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Die erste Ausstellung im Jahr 2023 regte die Besucher zum Austausch an.

BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid

Die Schirme mussten draußen bleiben.

Blick in die Ausstellung


BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid



BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid



BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid



BKV Ausstellung Thomas Reifferscheid



Fotos: G.M.Wagner