Brühler Kunstverein
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Stephanie Pech - Über Leben

Ausstellung vom 17. Februar bis 23. März 2002

Pech
Stephanie Pech - "Bildnis eines Aals", 2001, 110x290 cm

 Biografie
 1968geboren in Unna
 1988Abitur, St. Bernhard-Gymnasium, Willich
 1988-1995 Studium an der Kunstakademie Münster bei Prof. J.Zellmann und Prof. H.J.Kuhna, Akademiebrief, 1. Staatsexamen, 2. Staatsexamen (1997)
 1992 Meisterschülerin bei Prof. H.J.Kuhna

lebt und arbeitet in Köln und Bonn

  Stephanie Pech - Über Leben

Der englische Maler Francis Bacon äußerte einmal: "Wenn man in eine Metzgerei geht und sieht, wie schön das Fleisch aussehen kann und darüber ins Grübeln gerät, dann kann man über den ganzen Schrecken des Lebens nachdenken - darüber, dass ein Wesen nur noch das andere überlebt."
Dieser Satz hat Stephanie Pech sehr beeindruckt, was einen nicht verwundert, wenn man ihre Gemälde in Augenschein nimmt, die hier im Brühler Kunstverein ausgestellt sind, denn auch in ihnen geht es um Leben und Überleben. Jedoch lässt sie Lebewesen des Meeres, einen Aal, Krabben und Tintenfische, aber auch Obst und Gemüse zum Gegenstand ihrer Bilder werden - in denen dann allerdings Entwicklung und Verfall eine wichtige Rolle spielen.

In vielen ihrer Bilder lassen sich Reminiszenzen an die tradierte Bildgattung des Stilllebens erkennen, das sich im 16. und 17. Jahrhundert allgemeiner Beliebtheit erfreute. Ab dem 18. Jahrhundert setzte dann ein Prozess ein, in dem die bis dahin geschätzten Sinngehalte der Stillleben immer mehr in den Hintergrund traten und allein die malerische Darstellungsweise in den Vordergrund rückte. Bewusst setzt sich die Künstlerin mit dieser Gattung der Malerei auseinander, doch schafft sie hierbei ihre ganz eigene Bildwirklichkeit und ihre eigene Form der Inventio, der Bilderfindung, der Darstellungsweise. So werden Meerestiere, Obst und Gemüse in oft sehr großformatigen Gemälden an den Betrachter heranfokussiert und in einer eigenwilligen Zwischenform von Stillleben- und Porträtmalerei dargestellt.

Das Gemälde "Blues" erweckt auf den ersten Eindruck durch den dargestellten Fisch und das Küchenhandtuch vage Erinnerungen an klassische Küchen-, Markt- und Fischstillleben. Doch schon beim zweiten Hinsehen kommen Fragen auf:
Wo ist die Tafel, auf der die verschiedensten Meerestiere sonst appetitlich arrangiert und opulent aufgeschichtet wurden? Vor einer kahlen, leuchtend gelben Wand hängt am äußersten Bildrand ein Handtuch mit Anklängen an ein Delfter Muster. Wie soll man aber den im Verhältnis zum Handtuch übergroß dargestellten Fisch einordnen, der auf der freien Fläche diagonal angeordnet und in der Aufsicht gegeben ist? Gemäß seiner Ansicht müsste er eigentlich - zentralperspektivisch gemalt - auf einem Tisch oder Teller liegen und nicht vor einer flächigen Wand hängen. Hängt er überhaupt? Er ist nicht einmal an dieser Wandfläche befestigt. Schwebt er? Rutscht er die Wand herunter? Weder die proportionalen Verhältnisse noch die perspektivischen Ansichten der beiden Gegenstände zueinander stimmen. Die Raumsituation ist indifferent und ungeklärt.

Stephanie Pech arbeitet in ihren Gemälden ganz bewusst mit solchen Brüchen, die nicht nur die Erwartungen des Betrachters enttäuschen und seine Wahrnehmung irritieren, sondern durch eine ungewöhnliche Bildwirklichkeit auch eine ganz eigenwillige Spannung in den Bildern erzeugen und eine neue Sicht auf die alltäglichen Dinge erlauben.

In dem "Bildnis eines Aals" erfährt ein gemeiner Aal eine enorme Aufwertung. Überlebensgroß lagert er vor einem flächigen, monochrom blauen Hintergrund auf einer opulenten Tischdecke. Langgestreckt, die Horizontalität des Bildes betonend, zeigt er sich in seiner ganzen schillernden Schönheit. Er beherrscht souverän, ohne weitere Meerestiere oder sonstigen Zierrat, ganz alleine die Szenerie.

In seiner Ästhetik unterstrichen wird dieser schimmernde Fischleib durch das exquisite Muster der Tischdecke, das die Künstlerin ganz bewusst an die Gewandornamentik des Dogen Leonardo Loredan in einem Gemälde von Giovanni Bellini (um 1430 - 1516) angelehnt hat.

Auf der ersten Ebene sprechen die dargestellten Dinge durch ihre Schönheit an. Doch unversehens gelangen wir auf eine weitere Ebene: Der kunsthistorische Bezug auf das Porträt einer bedeutenden venezianischen Persönlichkeit, verbunden mit der Kostbarkeit des Stoffes und der monumentalen Präsentation, die in ihrer Künstlichkeit einem Bühnenauftritt gleicht, tragen zu einer nicht zu übersehenden Bedeutungsaufwertung des Fisches bei. Dieses Stillleben ist nicht nur ein überaus dekoratives und reizvolles Bild - es wird nachgerade zu einem Bildnis, zu einem Porträt eines Aales.

In dem Gemälde "Krabbenfrieden" kommt nun der Doppelsinn von Leben und Überleben auf Kosten eines anderen zum Tragen: Essen und Gegessen-Werden, Überleben und Essen um zu Überleben. Wieder schafft die Künstlerin eine eigenwillige Form der Inszenierung: Statt den Akteur ihres Bildes auf einem Teller oder einer Schale zu präsentieren - ein Ambiente, das der Betrachter bei einem klassischen Stillleben noch erwarten dürfte -, sprengt Stephanie Pech diesen tradierten Rahmen radikal und schafft eine eher erzählerische Szenerie: Ihrer natürlichen Meeresumgebung beraubt, befindet sich die Krabbe nun in einer sterilen Badewanne - ohne Wasser. Noch nicht bereit, ein "stilles Leben" zu werden, krabbelt sie auf den Abfluss zu, der aber auch keinen Ausweg verspricht. Noch lebt sie, aber irgendwann wird sie als delikater Happen doch noch auf einem Teller landen.
Durch die extreme Nahsicht und die monumentale Größe des Bildes wird dem Betrachter ein Eintauchen in den Bildraum ermöglicht: Die Badewanne, in der sich das Schalentier befindet, ist so nah herangezoomt, dass man das Gefühl bekommen kann, sich ebenfalls in dieser Wanne zu befinden. Der Blick ist konzentriert auf das Tier und auf sein Schicksal gelenkt.

Stephanie Pechs Interesse an Meerestieren beruht darauf, dass sie oft am Meer gewesen ist. Mit fast wissenschaftlicher Akkuratesse studiert sie diese Lebewesen, die ihr für ihre künstlerische Arbeit als Anschauungsobjekte dienen. Sie liebt deren haptische und farbliche Reize und sieht es als künstlerische Herausforderung, die stofflich reizvolle Qualität des Gepanzerten, des Schuppigen und Glitschigen malerisch herauszuarbeiten. Zugleich möchte sie aber auch das Doppelsinnige zwischen individuellem Lebewesen und schmackhaftem Nahrungsmittel und das Makabre und Gemeine an dieser Tatsache aufspüren und zum Ausdruck bringen.

Einige Monate nach der Fertigstellung von "Krabbenfrieden" entstand das Bild "Ophelia". Wiederum stellt eine Badewanne den Wirkungsraum dar. Doch dieses Mal rückt der Mensch - zumindest ein Kleidungsstück von ihm - in den Mittelpunkt. Verlassen schwimmt ein geblümtes Bikinioberteil auf dem Wasser, fast scheint es auf ihm zu schweben.
Wo ist die Frau, der es gehört? Wie ist es dort hingelangt? Warum hat sie es dort liegengelassen? Die Phantasie des Betrachters wird durch diese Szenerie angeregt, die amüsant und nicht ohne erotische Anspielung ist. Durch den Titel "Ophelia" verweist die Künstlerin zwar auf die traurige Gestalt in Shakespeares Drama "Hamlet", die aus Kummer ins Wasser ging und sich ertränkte. Jedoch verleiht sie durch die Art der malerischen Inszenierung dem dramatischen Thema eine ironische und leichte Note.
Durch den literarischen Bezug weist das Gemälde über die reine Bedeutung der dargestellten Gegenstände hinaus. In dem Bestreben, ihren Bildern einen übergeordneten Sinngehalt zugeben, trifft sich die Künstlerin zwar wieder mit dem Anliegen der Maler des 16. und 17. Jahrhunderts, doch wählt sie ihre eigenen Themen und Motive.

In der Serie "Beans & Bacon" wird das Thema von Entwicklung und Verfall aufgegriffen. Wiederum schafft Stephanie Pech ihre ganz eigene Variante der klassischen Vanitas-Thematik, die in vielen älteren Stillleben zu finden ist, um an die Vergänglichkeit alles Irdischen zu gemahnen.

Die Künstlerin arbeitet gerne in Serien, weil sie mehrere Aspekte eines Themas beleuchten möchte. Für diese Serie hat sie Bohnen in Wasser gelegt und fotografisch festgehalten, wie sich die Keimlinge aus den Bohnen heraus entwickelten und stündlich veränderten. Fasziniert hat sie zugesehen, wie die Bohnen in ihrer Entwicklung etwas Figürliches, Embryonenhaftes bekamen.
Diese Art des Vorgehens entspricht generell der Arbeitsweise der Künstlerin: Sobald sie eine Idee hat, arrangiert sie dazu die verschiedenen Situationen und fertigt dann Fotos davon an. Diese dienen ihr als Ideenskizzen, die irgendwann in Malerei übertragen werden. Zudem arbeitet sie aber auch mit Skizzenbüchern, in denen sie ihre Einfälle zeichnerisch festhält und mit Texten kommentiert. Durch die Umsetzung in die Malerei erfahren diese fotografischen und zeichnerischen Skizzen jedoch nochmals eine Veränderung.

In den Gemälden der Serie "Beans & Bacon" fungiert jeweils ein Schinken als ornamentaler Untergrund. Zugleich dient er als eine Art Nährboden für die Bohnen. Der Komplementärkontrast von Rot (für den Schinken) und Grün (für die Bohnen) entspricht generell dem Interesse der Künstlerin an einer kontrastreichen Malerei, um kraftvolle Spannungen zu erzeugen.
So wie die Bohnen sich auf dem Schinken immer mehr entwickeln und ihre Keime ausstrecken, bis sie fast zerfallen, so verändert sich auch der Schinken. Von einem frischen Rot ausgehend zersetzt er sich zusehends und wird immer dunkler. Fleischliches und Pflanzliches entwickeln und verändern sich zugleich.

Mit der Serie "Hautnah I - IV", von der im Brühler Kunstverein zwei Gemälde zu sehen sind, hatte die Künstlerin den Wunsch, einen Menschen in ihren Gemälden anwesend sein zu lassen, ohne ihn jedoch konkret darzustellen. So zeigten auch schon die klassischen Stillleben die Dinge der Welt, nicht aber unbedingt die Menschen, die mit ihnen umgegangen sind.
In ihren Überlegungen erinnerte sich Stephanie Pech an die menschlichen Körperabdrücke, die Yves Klein in den 60er Jahren ins Bild gesetzt hatte. Diese Idee wollte sie aufgreifen. Doch bevor sie an die Ausführung ging, hatte sie bestimmt, welche Farbkontraste in den Gemälden zur Geltung kommen sollten: Magenta und Cadmiumrot sollten zusammenwirken. Das weibliche Modell, das der Künstlerin bei der Ausführung der Körperabdrücke zur Seite stand, wurde deshalb mit Magenta-Acrylfarbe angemalt. Entsprechend ihrer Skizzen dirigierte Stephanie Pech danach das Modell auf der ebenfalls mit Acrylfarbe bemalten Leinwand.
Auf dem flächigen und monochrom bemalten Untergrund mit den darüber gelagerten Körperabdrücken, die abstrakten Farbkompositionen gleichen, malte die Künstlerin dann in fast monumentaler Weise mit Ölfarbe eine halbierte Paprika, ein anderes Mal Erdbeeren in Cadmiumrot.
Die Kerne des Gemüses, wie auch die Paprika selber scheinen gleichsam über dem abstrakten Untergrund zu schweben, genauso wie die Erdbeeren, die - in verschiedenen Reifungsgraden dargestellt - das Thema von Entwicklung und Verfall erneut aufgreifen.
Der Reiz der Bilder liegt in der Verbindung unterschiedlicher Darstellungsweisen, Realitäts- und Raumebenen - von monochrom-flächig über abstrakte Formationen realer menschlicher Körperabdrücken bis hin zum plastischen Realismus gemalter Früchte.
Auch hier sieht Stephanie Pech das malerisch Reizvolle darin, unterschiedliche Oberflächenstrukturen in einem Bild wirken zu lassen.

Die im Brühler Kunstverein ausgestellten Gemälde, die in den Jahren 1999 bis 2001 entstanden sind, zeigen eine große inhaltliche und formale Bandbreite. Malerisch voller ästhetischem Reiz und mit enormer Farbintensität und Vitalität werden die Bildgegenstände - mal in edler, aber auch in morbider Weise - dargestellt. Durch die oft irritierenden Situationen, in denen sich diese Sujets befinden und die ungewöhnlichen Kombinationen, in denen sie zusammengefügt sind, hat Stephanie Pech eine ganz eigene, überaus spannungsreiche Darstellungsweise und Bildwirklichkeit für die ihr wichtigen inhaltlichen Sinngehalte gefunden.

Liane Heinz M.A.