Brühler Kunstverein
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Zwei knallharte Profis: Torsten Mühlbach und Sebastian Weggler

9. bis 31. Mai 2014: Installationen und Skulpturen

Zu den Künstlern

Spätestens mit Dreißig sollte man seine Autobiografie geschrieben haben, findet Sebastian Weggler und meisselte u.a. Heldentaten aus seinem Leben in Kernseife. In der Ausstellung "Zwei knallharte Profis" in Brühl zeigt der in Düsseldorf lebende Künstler einen großformatigen, handgefilzten Wandteppich, auf dem er sich selbst porträtiert. Er verkörpert in der dargestellten Szene den Teppichhändler sowie die interessierten Käufer. Die Identitäten ,Künstler‘, ,Käufer‘ und ,Verkäufer‘ vereinigen sich zu einer Person und werden aufgehoben.
Die Frage der eigenen künstlerischen Identität, ausgedrückt durch überspitzte Selbstinszenierungen in Kombination mit ungewöhnlichen Materialien bilden den Kern der Arbeiten von Sebastian Weggler, der u.a. bei Immendorff und Lüpertz studiert hat.

Auch er ein "knallharter Profi", fordernd und provokativ. Der in München lebende Torsten Mühlbach spielt mit massenmedialen, politischen und kulturhistorischen Bezügen und setzt seine Arbeiten zu aktuellen Weltbezügen in Szene. Als ausgebildeter Bildhauer überrascht die formale Breite seiner verwendeten Ausdrucksmittel – ob es sich nun um Skulpturen handelt, die besser als Assemblagen verstanden werden denn als klassische Objekte im Raum, um Kleinfiguren auf Sockeln oder um bildhafte Objekte, die zwischen Mythos, Politik und Pop ein grell ausgeleuchtetes Eigenleben führen.

Trotz der Vielfalt in der Kunst Mühlbachs erscheint allen Arbeiten das Ausagieren von Machtverhältnissen und von Gewalt als gemeinsamer inhaltlicher Motivationspunkt, als Bildthema oder als gestalterisches Prinzip.
(Zitiert nach Felix Ruhöfer)


Zwei Knallharte Profis

Einführung zur Ausstellung von Felicia von Karais (Galerie ampersand, Köln)

Die verschiedenen Bildträger und der Ideenreichtum in der Ausstellung "Zwei Knallharte Profis" könnte nicht vielschichtiger und divergenter sein. Bekannte Motive und Themen, die scheinbar auf banaler Materialverarbeitung basieren, locken den Betrachter zunächst ganz unwesentlich in ein Gefühl des Vertrauten. Doch das vertraute Gefühl legt sich schnell, sobald man sich den Werken von Sebastian Weggler und Torsten Mühlbach nähert. Denn bei der genaueren Betrachtung und Auseinandersetzung der Arbeiten, öffnen sich auf formaler und inhaltlicher Ebene tiefere Sinnschichten, die über den ersten augenscheinlichen Eindruck hinaus gehen.

Der Düsseldorfer Künstler Sebastian Weggler zeigt in seiner Arbeit "Der Teppichhändler" einen seiner großformatigen, handgefilzten Wandteppiche auf dem er sich gleich mehrfach porträtiert. Die Identitäten ,Künstler', ,Käufer' und ,Verkäufer' vereinigen sich zu einer Person und werden dadurch ad absurdum geführt. Der hochtrabenden Selbstinszenierung, stehen Selbstironie und eine gewisse Demut dialektisch gegenüber, wodurch bewusst ein zwiespältiger Eindruck erzeugt wird.

Auch Torsten Mülbach zeigt einen überdimensionalen Teppich, bei dem sich seine feine Herangehensweise mit dem Medium Collage zu erkennen gibt. Die Arbeit "Fleischteppich" besteht aus aneinander geklebten, ausgeschnittenen Werbe-Postkartenteilen mit "fleisch"- farbigen Aufdrucken - überwiegend mit Frauenköpfen. Durch die ornamentale Anordnung der kreisrunden und ovalen Elemente wird unweigerlich die Assoziation an Orientteppiche geweckt. Als ausgebildeter Bildhauer überrascht die formale Breite der verwendeten Ausdrucksmittel, auf die Torsten Mühlbach in seiner Arbeit zurückgreift. Skulpturen, die besser als Assemblagen verstanden werden müssen denn als klassische Objekte im Raum, Kleinfiguren auf Sockeln sowie bildhafte Objekte, die an der Wand hängend ihre spannungsreiche Definition als zweidimensionale Tafel- und Folienbilder selbst problematisieren. Aus einer Fülle populärer, meist medial vermittelter Inhalte entwickeln seine Arbeiten Bildthemen und Figuren, die als groteske, hybride Mischformen zwischen Mythos, Politik und Pop in Erscheinung treten.

Seit 2004 nehmen die Folienbilder eine zentrale Stellung in der Arbeit von Torsten Mühlbach ein. Die zunächst als zweidimensionales Tafelbild zu erkennenden Arbeiten erscheinen in der weiteren Betrachtung als dreidimensionale, beinahe skulpturale reliefartige Gebilde. Mit Hilfe von Nadeln werden die Folien in Wellen und Knicke gebracht. Durch den dadurch erzeugten Schattenverlauf und im Zusammenspiel mit den intensiven Farben der Tüten, entsteht eine überraschend lebhafte Oberflächenstruktur. In dem Werk "Die Glorreichen Sieben", zitiert Torsten Mühlbach den berühmten Western aus dem Jahr 1960 und steckt die damaligen Cowboys in heutige Kampftarnanzüge. Die Protagonisten, Uncle Sam, Adolf Hitler auch Comicfiguren wie Donald Duck und Asterix sowie das Pin-Up-Girl Pamela Anderson, die dem Betrachter hier gegenüberstehen, entstammen dem kollektiven Gedächtnis - sei es aus der überzeichneten Comicwelt oder aus der an Tyrannen reichen Weltgeschichte.

Die grelle Farbigkeit und die Comicschriften führen bewusst zu einem "too much" - Gefühl bei dem Betrachter. Diese Überfülle an visuellen Reizen und inhaltlichen Verknüpfungen in den Arbeiten finden ihre Parallelen in der Alltagswelt, die uns ähnliche Erfahrungen und Eindrücke vermittelt, wenn auch weniger sichtbar und subtiler, als es uns in der Kunst Mühlbachs dargeboten wird. Gegenüber der Folienarbeit finden wir die Installation "Good Night, Good Luck", die im Betrachter Unbehagen weckt. Das kleine einsame Bett in trauerndem Schwarz gehalten ist gespickt mit militaristischen Attributen. Verschiedene Waffen, Soldatenhelm und Totenschädel lassen klar erkennen, dass es sich hier wohl eher nicht "gut schlafen lässt" und man dem Glück und Zufall ausgesetzt ist. Darüber schwebt wie ein Damoklesschwert ein Mobile zusammen gesetzt aus einzelnen und ebenfalls in schwarz gehaltenen Pistolen. "Ein Mobile für revolutionäre Träumer", wie es der Künstler selbst nennt. Trotz der Vielfalt der Kunst Mühlbachs, erscheint allen Arbeiten das Ausagieren von Machtverhältnissen und von Gewalt als gemeinsamer Nenner. Die Funktion seiner Kunst verdeutlicht sich allerdings als fragende Instanz, nicht als kritisierender Verweis auf eine falsche Welt, die durch alternative Modelle abgelöst werden muss.

In den Arbeiten von Sebastian Weggler geht es vornehmlich um die Frage der eigenen künstlerischen Identität. Diese thematisiert er durch überspitzte Selbstinszenierungen in Kombination mit Bildträgern verschiedener Materialien wie beispielsweise Kernseife, Kunststoff, Holz, Beton oder wie in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist, mit Filz. Die Materialbereiche, die Sebastian Weggler in seinem Schaffensprozess betritt, stehen nahezu immer in Verbindung mit Massenproduktion und dem dadurch sich ergebenden Spannungsfeld zwischen industrieller Verfertigung und das Arbeiten von Hand. Dieses Spannungsgefüge verdeutlicht sich in der Ausstellung nun mehr in seinem "Teppichstapler", der den Betrachter durch das eigenmächtige Umblättern der einzelnen Teppiche fast schon in eine direkte Kaufsituation führt.

Der Stapler selbst besteht aus einem furnierten Podest, dessen Muster und Maserung ebenfalls an ein Teppichmuster erinnert. Die einzelnen Teppiche auf dem Podest zeigen unterschiedliche humorvolle Situationen, in denen sich der Künstler wieder selbst in Szene setzt: Mal als Reiter mit Pferd ein Wurstbrot essend, dann wiederum als herrschender König mit Loorbeerkranz.

Auch die Vanitas-Thematik sowohl im Motiv als auch im Material selbst findet sich immer wieder vehement in den Arbeiten. So entdecken wir z.B. einen Teppich mit zwei tanzenden Skeletten, die gleichzeitig aus einem Spaghettitopf essen. Ein anderer Teppich wiederum zeigt ein Skelett mit einem Pinsel im Mund, das stolz und beinahe schon heroisch den Betrachter anblickt.

Das Thema Vergänglichkeit ist nicht nur auf den Teppichen zu finden. Die konsequente Durchdringung dieser Thematik lässt sich ganz besonders in den Seifenarbeiten von Sebastian Weggler erspähen, auch wenn diese diesmal nicht Teil der Ausstellung sind. Auf den ersten Blick erscheinen die Arbeiten wie marmorierte Bildreliefs in die Sebastian Weggler seine Biographie eingemeißelt hat, um der Nachwelt seine Seele, seinen Genius zu spiegeln und seinem selbsterschaffenen Künstlermythos dadurch natürlich alle Ehre zu erweisen. Aber allein die Beschaffenheit des Materials selbst ist, sobald es in Berührung mit Wasser gerät, vergänglich und demzufolge sein Künstlermythos endlich. Um sich einen besseren Einblick von den Arbeiten machen zu können, können Sie sich gerne die Kataloge auf dem Tisch nebenan zur Hand nehmen. Mit kritischer Distanz, Selbstironie, viel Witz und einem leichten Augenzwinkern seinem Selbstverständnis als Künstler und dem von ihm verwendeten Material gegenüber, wird in Sebastian Wegglers Werken in der Tat jedes Mal eine ganz neue Bedeutungszuschreibung erwiesen. Der materialikonographische Ansatz bildet dabei zweifellos das Profil mit dem Sebastian Weggler den Kanon kunstwürdiger Stoffe sprengt, den Bereich "wertloser" Stoffe erweitert und die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst verschiebt, um das Medium letztlich mit eigener semantischer Qualität zu versehen.





Sebastian Weggler: Selbstportrait als Teppichhändler, 2011,
© Sebastian Weggler, Ben Hermanni



Torsten Mühlbach: Fleischteppich II, 2009
© Torsten Mühlbach, Courtesy Galerie Filser & Gräf, München


Bilder von der Eröffnung



In das Werk der beiden "Profis" führte Felicia von Karais (2.v.r.)ein.

©BKV

Zwei Noch-Amateure unterhielten das Publikum mit klassischer Gitarrenmusik: Erik (l.) und Noé.

©BKV

Die Profis: Torsten Mühlbach (l.) und Sebastian Weggler

©BKV

Zwei Besucher neben "Good Night and good Luck" von Torsten Mühlbach.

©BKV

Besucher schauen sich die Wandteppiche von Sebastian Weggler auf dem Podest an.
 

Bilder der Ausstellung


©BKV
Arbeiten von Sebastian Weggler in der Alten Schlosserei


©BKV

Vanitas-Symbolik ist in den Arbeiten beider Künstler zu finden.


©BKV
Arbeiten von Torsten Mühlbach in der Alten Schlosserei


©BKV