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Astrid Bredereck: Tische und Zeichnungen
Zwei Strategien zur Erfassung von alltäglichen Vorgängen
Ausstellung vom 24. November bis 15. Dezember 2013
Astrid Bredereck entwickelt in ihren Arbeiten Strategien, um alltägliche Erscheinungen sichtbar zu machen. Mannigfaltige Herangehensweisen und Arbeitsebenen helfen, Zeichnung auch als etwas Gedankliches zu begreifen, das unabhängig von Untergrund, Material und Zeit immer wieder neu entsteht.
Beim Brühler Kunstverein zeigt sie zwei Werkgruppen. In der Serie "Rhythmen" findet eine zeichnerische Umsetzung natürlicher Prozesse in Striche und Flächen statt, wodurch regelmäßig wiederkehrende Zustände und Veränderungen in Bilder materialisiert werden.
Für die Arbeit "Tische" hat die Künstlerin Oberflächen von Tischen mit einer glatten weißen Schicht versehen und diese an unterschiedlichsten Orten zur Nutzung aufgestellt. Die zur Verfügung gestellten Untergründe zeichnen nun Spuren von Lebens- und Arbeitsprozessen auf, die sonst im Verborgenen bleiben. Dabei verfolgt Astrid Bredereck die Frage, ob Spuren auch als Zeichnungen gelten können.
"Gefördert durch die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt und die Kloster Bergesche Stiftung".
Astrid Bredereck wurde 1977 in Halle geboren, hat von 2001 bis 2008 an der Burg Giebichenstein studiert und ihr Diplom im Fachbereich Konzeptkunst Buch erworben. Sie arbeitete als Kunsttherapeutin am Universitätsklinikum Halle und ist heute freiberufliche Künstlerin, Dozentin und Gestalterin.
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Astrid Bredereck - Tisch bei C.S. Berlin, Foto: © M. Sönning
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wann ist ein tisch ein tisch?
oder eintischisteintischisteintischeinezeichnung?
diegesellen heute ist alles anders, es scheint einen doppelten boden zu geben.
vor drei tagen bei der ausstellungseröffnung schienen mir die zwanzig tische von astrid bredereck wie eine
herde - eine schar, die sich zwischen den ausstellungsbesuchern tummelt - für jede überraschung gut. ein
umgekipptes weinglas, von dem keiner genau weiß, wie es ins wanken geraten konnte, zeichnete eine neue
fläche auf eine der weiß grundierten und mittlerweile mit vielen verschiedenen strichen, farbflecken und
strukturen versehenen platten. ein weiterer tisch versuchte, es ihm gleich zu tun und kippte einen apfelsaft
um, allerdings nur zu seinen tischfüßen. da werde ich wohl aufpassen müssen . . . . die aufsicht im
kunstverein ernst nehmen . . .
dieverloreneschar . . . aber heute, drei tage später, beim betreten des raumes: nichts von der geselligen
runde am sonntag. die tische stehen ab-auf-aus-gestellt in einem ansonsten fast leeren raum: locker, aber
doch rechtwinklig geordnet, zur wand, an der zeichnungen hängen, abstand haltend. sie tendieren zu der
durch fenster und türen geöffneten seite des raumes. haben sie etwa fluchtgedanken?
sie wirken etwas verloren.
brauchen sie eine aufgabe? brauchen sie die menschen?
um tische zu sein - richtige tische?
können sie überhaupt noch richtige tische sein?
feinsäuberlicheinengrundschaffen durch die feine, weiße grundierung evozieren die platten, die mal ganz
selbstverständlich, mal merkwürdig fehlamplatz auf den tischen liegen, eine in den raum eingezogene, zwar
unterbrochene, aber dennoch präsente, horizontale ebene. eine auf-sicht. die ahnung, dass es eine
zeichenfläche sein könnte . . . die zur spurensuche verleitet . . .
. . . begleitet von dem leisen rhythmus der versammelten tischbeine, die geschwungen, gerade, schräg oder
gar gekreuzt, wie eine leichte musik in braunweißgrauschwarzholzundmetall tönen.
dasspurensuchen und dasdeutenwollen wie schön die spuren sind, die natur und menschen hinterlassen
haben. die natur, ohne wissen der außergewöhnlichkeit der tische. die menschen, bei denen die tische zu
hause waren und die menschen, die bei den tischen zu gast waren.
zarte zeichen von geselligem beisammensein, von harter arbeit, kämpfen -äußeren und inneren-, fleißigem,
beständigen tun und benutzen und doch auch das bemühen, dass nichts auf ihn komme: auf dem tisch, bei
dem die grauweißflechtengrünen platten die fehlende schublade ersetzen, liegt leicht, schwebend ein
fussel, hellgrau und flusig, auf der sonst immer noch sehr gleichmäßig weißen platte - ein angriff auf die
blütenreine weste?
ein anderer tisch kündet vom spaß an der fläche, der zeichenfläche: orangerotes krickelkrackel entpuppt
sich auf den zweiten blick als eine genaue untersuchung von pferden und pferdeähnlichen tieren und deren
gangarten.
naturstrukturen überlagern die menschenstrukturen und umgekehrt.
grün, grüner schimmer und schwarz als sehr feine struktur und farbtönung, die nur die natur zaubern kann -
oder die nutzer, die unwissend waren, die nichts von einem kunstprojekt wussten: die die tische als tische
benutzten, ohne sich um mögliche erwartungen zu scheren.
indirekte zeichen von tätigkeiten, die auf einer anderen ebene stattgefunden haben und denen, die direkt
eingeschrieben wurden. spuren, die wegzuwischen wir gewohnt sind. normalerweise. danach.
an manchen stellen gibt die abgeplatzte grundierung den blick frei: auf das alte leben des tisches, bevor er
vielleicht vor dem schneckenverdichter gerettet, vom dachboden geborgen oder gar unter vor-wänden den
alten eigentümern ent-wendet, von seinem ursprünglichen, tischartgerechten standort entnommen wurde,
um frisch ausgestattet eine reise auf zeit anzutreten. über den alten ort, die alte verwendung gibt es keine
frage - über den neuen schon: draußen oder drinnen, garten oder balkon, werkstatt oder essstatt, kinderoder
erwachsenenzimmer?
deutenwollen und sicheinbildmachen sind jedoch verschieden. und vor allem: das herrliche feld des wahrnehmens!
die spuren, verweisen auf etwas und doch verraten sie mir eigentlich nur etwas über mich und meine
vorstellungen, auch wenn sie ganz treu die dinge, die stattgefunden haben und die ich nicht kenne, das
leben der anderen, aufgezeichnet haben. die anderen, die mir in den kurzen texten ein bisschen über ihr
leben mit und ihr verhältnis zu den tischen erzählen, helfen mir da auch nur bedingt weiter.
j.w. schreibt: „Ist Künstlerin nur eine Ausrede um das eigene Dasein zu rechtfertigen? Andererseits ist
Bankkauffrau nicht auch nur eine Ausrede?“
tische brauchen keine ausrede. sie sind. haben aber auch keine namen.
aber diese tische? man könnte ihnen namen geben. . . . .
dasgeheimnisdesflötotto einer jedoch verweigert sich. ich messe meinen mut:
sichderwitterungaussetzen denregenhinnehmen diezeichenaufnehmen
essen trinken treffen reden denken sinnen
lesen schreiben zeichnen malen basteln werken spielen
präsentieren sichpräsentieren sosein
tanzen.
t a n z e n !
hat jemand leichten fußes auf diesem tisch getanzt?
renate schäfer-jökel
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Bilder der Ausstellung
Bilder: Magnus Sönning
Bilder von der Eröffnung
BKV-Vorsitzende Gaby Zimmermann eröffnet die Ausstellung
Dr. Johannes Stahl hält die Einführung
Bilder: Magnus Sönning
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