Brühler Kunstverein
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RULES - Skulptur, Zeichnung, Installation von Kathrin Rabenort

Ausstellung vom 4. März bis 25. März 2018

Kathrin Rabenort nutzt Kleidung und Stoffe als ihr künstlerisches Material. Aus ihm entwickelt sie Objekte, Skulpturen und Installationen, die den menschlichen Körper in seiner gesellschaftlich-soziologischen Umgebung referieren. Das Spannungsverhältnis Körper und Bekleidung begleitet ihre Kunst. Die Auseinandersetzung mit der sozialen Ordnung z.B. mit hierarchischen Strukturen, mit dem Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft und Norm bzw. normierender Kleidung sind ihre Themen. Dabei interessieren die Künstlerin sowohl die nach außen getragenen Signale, als auch die Wechselbeziehung zwischen Bekleidung und innerer Haltung der Träger, wie es am Beispiel von normierenden Uniformen offensichtlich wird. So arbeitet sie oft mit militärischen Camouflage-Mustern oder Originaluniformen aus dem Security-Bereich. In ihren Installationen, in die Rabenort weitere Medien, wie Fotografie, Audio, Zeichnung, Malerei und Readymade integriert, bezieht sie sich auf die Architektur sowie auf die ursprüngliche Funktion und Nutzung des Ausstellungsraumes. So entwickelt die Künstlerin speziell für die Räumlichkeiten des Brühler Kunstvereins eine Installation, die durch Objekte und Zeichnungen ergänzt wird.

Zur Künstlerin
Kathrin Rabenort, 1965 im Siegerland geboren, hat Freie Kunst bei Prof. Urs Lüthi an der Kunsthochschule Kassel studiert. Seit 1994 Ausstellungen in Deutschland und dem europäischen Ausland. Sie hat verschiedene Arbeitsstipendien erhalten, u.a. in Rostock, Norwegen und Shanghai. Kathrin Rabenort lebt und arbeitet in Köln.

Weitere Infos zu Kathrin Rabenort: www.kathrinrabenort.de

Die Edition "RULES"

Edition Kathrin Rabenort
RULES, 2018, 32 x 42 cm, Auflage 5, numeriert und handsigniert, Preis je Exemplar: 300 Euro
Bestellungen telefonisch oder per E-Mail über den Kunstverein



Kathrin Rabenort, yaodai

Kathrin Rabenort, yaodai, 2017, Kunstleder, Metall, variable Installationsmaße
© Kathrin Rabenort und VG Bild Kunst



Kathrin Rabenort - RULES

Kathrin Rabenorts künstlerische Interventionen kreisen um die Kleidung, neben der Nahrung das Fundamentalste, das unser Leben bestimmt (zumindest auf der materiellen Ebene). Die Kleidung ist eine eigene, nonverbale Sprache. Sie kann nicht nichts ausdrücken. Doch erstaunlicherweise steckt der moderne Mensch bei der Wahl seiner Kleidung in einem engen Korsett zahlloser durch Mode, Prestige und Konventionen geprägter Vorgaben, die der mittelalterlichen, nach Ständen gegliederten Kleiderordnung in nichts nachstehen. Gerade die Freizeitkleidung ist durch eine weltweite Konformität geprägt, und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe muss mit großer Sorgfalt durch ausgeklügelte Details erkennbar gemacht werden, deren Entschlüsselung manchmal nur den Mitgliedern dieser Gruppe selbst möglich ist. Andererseits gibt es im Bereich der Berufskleidung häufig immer noch sehr strenge Kleiderordnungen. Hier sollen die Materialien, Schnitte, Abzeichen und vor allem Farben möglichst eindeutige Signale senden, die von allen verstanden werden und eine eindeutige Zuordnung zu einer Berufsgruppe erleichtern.

Dass Kathrin Rabenort bei ihrer zentralen Installation in dieser Ausstellung auf OP-Kleidung zurückgreift, leuchtet sofort ein, wenn man sich die örtliche Besonderheit des Brühler Kunstvereins vergegenwärtigt. Der Kunstverein residiert nicht nur in der ehemaligen Schlosserei des Marienkrankenhauses, er befindet sich damit auch bis heute innerhalb dessen Areals, und der Blick aus den großzügigen Fenstern fällt in den Hospitalgarten, der tagsüber von den Kranken und ihren Besuchern genutzt wird. Und dieser Garten liefert gleich die zweite Referenzebene. Die grünen Kittel und Hosen an den Pflanzstäben wirken wie ein kleiner Wald aus raumgreifenden Zimmerpflanzen. Der dünne, sich bauschende Stoff gestattet eine solche spielerische Anordnung und legt die Assoziation von Schlingpflanzen und lichtdurchschienenem Blätterdach nahe.

Kathrin Rabenort nutzt geschickt die Ambivalenz dieser Art Kleidung in ihrer eigentümlichen Mischung aus Freizeitlook und lieblos zusammengenähter Anstaltskleidung. Die weiten Schnitte und die Schlichtheit der Form sind einzig funktionalen Überlegungen geschuldet: Das Anlegen dieser Kleidung soll möglichst unkompliziert und schnell vor sich gehen und den Träger in keiner Weise bei der Arbeit beeinträchtigen. Ästhetische Überlegungen spielen so wenig eine Rolle wie die Frage, inwiefern die berufliche oder gesellschaftliche Stellung der Person damit vermittelt werden kann. Die OP-Kleidung hat einen ähnlichen Stellenwert wie in anderen Berufen die Schutzkleidung, die den Träger ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit vermummt. Sie wird nur innerhalb des OP-Bereichs getragen. Sobald dieser verlassen wird, werden die grünen Kittel wieder gegen das prestigeträchtige Weiß getauscht.

Gerade deshalb weckt dieser Anblick wohl bei den meisten Betrachtern eher ungute Gefühle. Ob aus eigenem Erleben oder aus den Medien: Man verbindet diese Art von Kleidung unwillkürlich mit dem beängstigenden Szenario einer über eine blutende Wunde gebeugten Gruppe von Menschen im Spannungsfeld zwischen Leben und Tod. Und tatsächlich tritt das Moment der beruhigenden Wirkung, die von der Farbe Grün bekanntermaßen ausgeht, zurück hinter den eigentlichen Gründen, warum bei Operationen ausgerechnet Grün getragen wird: Bei der Farbwahl spielen vor allem die Gesetze der Wahrnehmung eine große Rolle. Da Weiß das ohnehin sehr helle Licht im Operationssaal stärker reflektiert als Grün oder Blau, ermüden die Augen des Chirurgen schneller. Zum anderen werden mit grünen oder blauen Kitteln und Laken zum Abdecken des Patienten sogenannte Nachbilder vermieden. Wer einmal länger auf eine strahlend weiße Fläche gestarrt hat, der weiß, dass vor dem Auge Phantombilder entstehen. Gerade im Operationsaal könnten diese Nachbilder des Auges einen irritierenden Effekt mit möglicherweise schweren Folgen haben. Chirurgen, die stundenlang eine im wahrsten Sinne blutrote Operationswunde ansehen, erleben ebenfalls diesen Effekt und nehmen vor dem Auge grüne Farbflecken wahr. Diese werden durch die grüne Farbe der Kleidung und Laken absorbiert. Das Grün ist also im Krankenhaus-Kontext vor allem als Komplementärfarbe von Rot bedeutend und weniger als eigener Farbwert. Erst hier im Kunstkontext kommen andere, ästhetische und an Vegetabiles erinnernde Dimensionen in den vielen Schattierungen zwischen Grün und Blau zum Vorschein und mischen sich eigentümlich in die Betrachtung ein.
Zu diesem vordergründig so lichten und leichten, pflanzenartigen Gebilde gesellen sich Arbeiten aus einem eher militärischen Kontext. Ein Kontrast, der sich bei näherer Betrachtung aber auch wieder auflöst. Zwar sind die Stoffe und Requisiten der Security-Uniformen im Vergleich zu den OP-Kitteln fest, strapazierfähig und von dunkler Farbe, aber auch hier greift Kathrin Rabenort zu Formen, die an Pflanzliches erinnern und den Garten vor dem Fenster widerspiegeln. Die Gürtel und Mützen verbinden sich zu eigenwilligen Gebilden, die wie Lianen durch den Raum wachsen oder exotische Blüten austreiben. Aus den Requisiten für Ordnung und Sicherheit werden organische Wuchsformen. Die "Rules" - Regeln, um auf den Titel der Ausstellung einzugehen - laufen aus dem Ruder und verdeutlichen damit ihre Unberechenbarkeit. Die unsichtbar dahinter lauernde Macht ist unheimlicher und unberechenbarer als die offen demonstrierte, scheinbar nur positiv besetzte Sorge um Ordnung und Sicherheit.

Kathrin Rabenort hat 2016 zwei Monate an der China Academy of Art in Shanghai gearbeitet, während eines von der Academy, dem Goethe-Instituts und dem Kulturamt der Stadt Köln geförderten Stipendiums. Eigentlich wollte sie die Menschen dort zu ihrer Bekleidung befragen. Doch sie stieß auf große Widerstände bei ihrem Versuch, Interviews auf offener Straße zu machen. Dabei fielen ihr die vielen uniformierten Security-Leute auf. Nicht nur am Flughafen, in der Metro, an jeder Straßenecke, selbst im Friseursalon sind sie allgegenwärtig. Ihre Omnipräsenz dient gleichermaßen zur Sicherheit und zum Schutz wie auch zur Kontrolle dieser mit 24 Millionen Einwohnern größten Stadt Chinas. Auch die mit Gesichtern aus bunten Glassteinen verzierten Camouflage-Stoffe hat sie aus Shanghai mitgebracht. Sie wurden nach Fotos der Design-Studenten, die sie dort unterrichtete, gefertigt. Die Fotos zeigten die Studenten in ihrer Militäruniform, denn jeder chinesische Student absolviert vor seinem Studium eine militärische Ausbildung. Umkopiert in den Freizeit-Style einer Modelaune, die Militär-Look mit Strassstein-Dekorationen garniert, kippt der Ernst dieser Fotografien in etwas gänzlich anderes um. Und auch die Camouflage-Stoffe verwandeln sich im Dialog mit dem Garten und den anderen Arbeiten in eine militärisch mutierte Version der idyllisch mit Efeu bewachsenen Mauer.

Kleider- und andere Ordnungen werden durch einen unbeschwerten, mit einem Schuss bewusster Naivität ausgestatteten Umgang aufgelöst, ironisiert oder auf ihr Machtpotenzial durchleuchtet. Bei den Nähmaschinenzeichnungen sind es die hängengelassenen Fäden, die gerade in ihrer scheinbaren Absichtslosigkeit eine enorme subversive Kraft entwickeln. Sie sind trotz ihrer Feinheit in der Lage, den starren Linien Lebendigkeit, Bewegung und Leichtigkeit entgegenzusetzen. Und die malerischen Aufblühungen der Bügeltücher scheinen von der Rigidität der Bügelfalte vollends völlig unbeeindruckt.

Sabine Elsa Müller M.A., 4.3.2018


 

Bilder von der Eröffnung


Kathrin Rabenort ©BKV

Die Künstlerin Kathrin Rabenort

Kathrin Rabenort ©BKV

Kathrin Rabenort, Gaby Zimmermann und Sabine Elsa Müller, die die Einführungsrede hielt (v.l.)

Kathrin Rabenort ©BKV

Kathrin Rabenort ©BKV

Vernissagebesucher in der Ausstellung


Blick in die Ausstellung

Kathrin Rabenort ©BKV

dàxuésheng / Studenten, 2017/2018, Stoffe, Glitzersteine, variable Installationsmaße

Kathrin Rabenort ©BKV

dàxuésheng / Studenten, 2017/2018 (Ausschnitt)

Kathrin Rabenort ©BKV

Im Vordergrund: Kappen II / gaocénglóu, 2018, Stoff, Kunststoff, Zementguss

Kathrin Rabenort ©BKV

Huizang II / batches, (Ausschnitt) Seide, Aufnäher, Holz

Kathrin Rabenort ©BKV

OP I - Rauminstallation, 2018, Zement, Metall, Kunststoff, Stoff

Kathrin Rabenort ©BKV

OP I - Rauminstallation, 2018 (Detail)


Fotos: G.M.Wagner