Brühler Kunstverein
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abgesunken - aufgetaucht

Sonderausstellung zum 80. Geburtstag unseres Ehrenmitglieds Willi Frommberger

Ausstellung vom 28. August bis 10. September 2016

Der Brühler Künstler Willi Frommberger, Gründungs- und Ehrenmitglied des Brühler Kunstvereins, feierte in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag und beschenkt uns mit einer Ausstellung.
Für Willi Frommberger ist die Kunst ein Lebenselixier, und nach dieser Devise ist er auch im Alter noch kreativ tätig. Eigens zu dieser Ausstellung hat der Künstler Neues geschaffen und setzt es mit früheren Werken in Verbindung. Dabei bleibt er sich in seiner Lust am Experiment und seinem Interesse an Formen und Farben der Natur treu. Wesentlich für die Gestaltung seiner Bildwerke sind die selbst hergestellten Erdfarben, die er aus Braunkohle oder Lössböden sowie anderen natürlichen Materialien gewinnt. Zu seinen Arbeiten zählen auch Drucke, die durch Eintauchen von Gegenständen in die gewonnene Farbe und das Abdrucken auf die Leinwand entstehen. Seine Farbschüttungen, bei denen über eine schrägstehende Leinwand Farbe gegossen wird, entfalten eine eigene Dynamik und lassen lebendige Wachstumsstrukturen entstehen. So sprühen seine Werke von einer Farbkraft und raumgreifender Formensprache.



Willi Frommberger


Macht Spaß, macht Ernst - Willi Frommberger

Die Kunst ist sein Lebenselixier. Sie macht Spaß. Sie macht Ernst. Sie ist ein Erlebnis. Das prägt Willi Frommberger seit mehr als sieben Jahrzehnten. Im März wurde der bekannte Künstler 80 Jahre. Für den Brühler Kunstverein ein Anlass, Werke des Gründungs- und Ehrenmitgliedes in einer Sonderschau im August zu präsentieren. Dabei wird er ganz sicher die Besucher wieder überraschen, denn er denkt nicht daran, eine Retrospektive zu veranstalten. Sein Blick ist nach vorn gerichtet, wobei durchaus Neues dem Alten begegnen kann. Dabei ist er sich in seiner Lust am Experiment und seinem Interesse an Form und Farben der Natur treu geblieben.

Willi Frommberger stammt aus Schlesien. 1936 wurde er in dem Dorf Gaulau geboren. Nach dem Abitur absolvierte er von 1957 bis 1962 ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei den Professoren Bindel, Coester und Arnscheidt. Nach einem Lehrauftrag am Kölner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium unterrichtete er von 1964 bis 1996 als Kunsterzieher am Max Ernst Gymnasium in Brühl.

Willi Frommberger
Willi Frommberger neben einer Max Ernst-Figur in seinem Atelier in Groß-Vernich.

Bekannt wird sein Name dafür, dass er für die Gestaltung seiner Bilder und Leinwände vorwiegend Erdfarben verwendet, die er aus Braunkohle oder Lössböden sowie anderen Materialien aus der Natur herstellt. Um die Farbe zu gewinnen, unterzieht er sie den verschiedensten Arbeitsprozessen: Sammeln, Sortieren, Zerkleinern, Reiben, Sieben, Kochen, Filtrieren. Im Brennofen verwandeln sich Erdfarben in zahlreiche Abtönungen. Mit Vorliebe taucht Frommberger auch Gegenstände in die gewonnene Farbe, um damit Abdrücke auf der Leinwand zu erzeugen. Oder er arbeitet in seinem Atelier auf Hof Recht in Groß-Vernich mit Farbschüttungen. So entstehen Werke, die eine expressive Farbkraft und eine raumgreifende Formsprache entfalten. Dafür geht der Künstler immer wieder auf Spurensuche. Die Materialien findet er auf Feldern, in alten Industrieanlagen, im Steinbruch, im Wattenmeer oder in Kreidegruben. Dazu gehört dann auch die Entdeckung einer 200 Millionen Jahre alten schwarzen Kreide. Für den Künstler ein Geschenk. Ein anderes Mal folgt er Flussverläufen und sammelt an verschiedenen Stellen Schlick und Ablagerungen. Über die schrägstehende Leinwand geschüttet entfaltet die Farbe eine eigene Dynamik, die lebendige Wachstumsstrukturen entstehen lässt. Das Braun, das ins Olive neigt, ist dem Schlick der Elbe zu verdanken, das Rostbraune dem Rotbach in Erftstadt-Lechenich. Inzwischen gehören zu seinem künstlerischen Repertoire - angefangen bei Bleistiftzeichnungen aus der Kindheit - gezeichnete und gemalte Selbstbildnisse, Brandcollagen, bei denen er mit verbranntem Papier gearbeitet hat, Siebdrucke, Radierungen, Ölbilder, Tropfbilder mit Bistertinte und jene Bilder mit Farben auf Braunkohlebasis. Seine Arbeiten befinden sich im Museumsbesitz und in öffentlichen Sammlungen, so zum Beispiel in der Ostdeutschen Galerie Regensburg, in der Kunstsammlung NRW Düsseldorf, im Stadtmuseum Weimar oder beim Regierungspräsidenten in Dresden.




Rede von Dr. Jürgen Pech zur Eröffnung der Ausstellung "Willi Frommberger: abgesunken - aufgetaucht"

Vor etwa 4.600 Jahrmillionen entstand unsere Erde. Bis zur Entwicklung der Welt der Tiere sollte es noch vier Milliarden Jahre dauern. Diese Zeit der Erdgeschichte wird als Präkambrium oder Erdfrühzeit bezeichnet. In diesem unvorstellbar langen Zeitraum wird auch die Theorie der "Ursuppe" angesiedelt, als eine Möglichkeit des Entstehens von ersten, kleinsten Lebewesen durch chemische Reaktionen.
Dem Präkambrium folgte vor 540 Millionen Jahren das Kambrium, das zusammen mit dem Ordovizium, dem Silur, dem Devon, dem Karbon und dem Perm das Erdaltertum bildet. Vor 252 Jahrmillionen begann dann das Erdmittelalter, das wissenschaftlich in die Zeitabschnitte Trias - basierend auf der strukturellen Gliederung der Gesteinsarten Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper - sowie Jura und Kreide unterteilt wird. Das Paläogen und das Neogen, die früher zusammengefasst als Tertiär bezeichnet wurden, sowie das Quartär bestimmten schließlich die letzten 66 Jahrmillionen, also unsere Erdneuzeit.

Etwas völlig neuartiges erblickte dann 1936 das Licht der Welt, also vor 80 Jahren oder um ebenso wissenschaftlich genau zu sein vor 80 Jahren, fünf Monaten und sechs Tagen. Diese jüngste Entwicklung, die man in der historischen Geologie ansiedeln könnte, die aber weit darüber hinausgeht, muss als "Frommberger" bezeichnet werden.
Wie kreativ dieses historisch-künstlerische Phänomen ist, kann jeder ermessen, der einmal sein jetziges Atelier besuchen konnte, das er nach Jahrzehnten in der legendären Werkstatt in Knapsack bezogen hat. An den Wänden türmen sich Gebirgszüge auf, die aus hochkant gestellten Leinwänden bestehen, so dass man an den Mont Blanc oder an den Mount Everest erinnert werden könnte. Diesen vertikalen Schichtungen entsprechen auf einem zentralen Arbeitstisch horizontal abgelagerte Sedimentformationen. Aufeinandergestellte Archivkartons sind seitlich beschriftet und datiert. Sie enthalten Serien und Werkgruppen, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden sind.
Eine fotografische Suite trägt den Titel "Genesis". Die Abzüge sind in mehreren Reihen über- und nebeneinander angeordnet und auf einem großen Tableau montiert. In der 1929/30 von dem Architekten Rudolf Schwarz entworfenen Aachener Fronleichnamskirche hatte Willi Frommberger in den schwarzblauen Bodenplatten helle, geschwungene, an Amöben oder Zellkerne erinnernde Strukturen entdeckt und als Ausschnitte aufgenommen. Seine fixierten Visionen suggerieren durch den dunklen Grund eine unendliche Weite und scheinen Momentaufnahmen des Entstehens, der Schöpfung zu sein. Hätte Willi Frommberger neben dieser auch alle anderen in den Archivkartons enthaltenen Serien und alle Leinwände, all seine übrigen Werke präsentiert, dann wären nicht nur die Wände in einer Petersburger Hängung überbordend voll gewesen, sondern das gesamte Raumvolumen des Brühler Kunstvereins hätte herhalten müssen und wir wären gezwungen gewesen, die Ausstellung von außen durch die Glasscheiben der Tür und der Fenster zu betrachten.

Aber diese Jubiläumsausstellung ist gerade nicht als Retrospektive konzipiert, sie ist vielmehr eine Introspektive, worauf der zweiteilige Titel "abgesunken - aufgetaucht" ja indirekt auch hinweist. Willi Frommberger wurde von mehreren Freunden, die ihn sehr gut kennen, gebeten, doch bitte nicht zu viel zu zeigen. Der Künstler hat diesen Wunsch beherzigt, so dass diese heutige Auswahl sozusagen als die Spitze des (Fromm)-Berges bezeichnet werden kann. Die Introspektive "abgesunken - aufgetaucht" will also auf den Kern der historisch-künstlerischen Ausnahmeerscheinung aufmerksam machen, mit klaren, aber auch poetisch anmutenden Worten die Kräfte oder Beweggründe verdeutlichen. Wir müssen deshalb zeitlich abtauchen zu den Anfängen, zum "Urschlamm", den Willi Frommberger Ende letzter Woche in einem Telefonat mit mir erwähnte, das Element des ersten, violett eingebundenen und dem Sonntag gewidmeten Heftes des Collagenromans "Une semaine de bonté ou Les septs éléments capitaux" (Eine Woche der Güte oder Die sieben Hauptelemente) von Max Ernst. "Der Urschlamm", im französischen Original "le boué" genannt oder im italienischen "fango", wie Willi Frommberger mit dem Assoziationsfeld der uns bekannten Fangopackungen vermerkte.

Wir blicken also kurz zurück zu den Anfängen, zum Ursprung des historisch-künstlerischen Phänomens Frommberger. Ein Jahr nach dem erwähnten Collagenroman wurde in der französischen Zeitschrift "Com-mune" ein kunstprogrammatisches Statement dieses anderen Brühler Künstlers auf die Umfrage "Où va la peinture?" (Wohin geht die Malerei?) veröffentlicht. Seine Antwort erschien im Mai 1935, also in etwa neun Monaten vor der Geburt Willi Frommbergers.
[Zwischenruf eines Zuhörers: "Wenn ich genau nachrechne, sind das aber nicht neun, sondern zehn Monate."]
Ja, sie haben völlig Recht, aber ich formulierte ja bewusst "in etwa" und bitte bedenken sie, dass eine Ausnahmeerscheinung eben schon mal etwas länger braucht.

Der damals 44-jährige Max Ernst berichtet in seinem Text von der künstlerischen Empfängnis, von den Möglichkeiten - auch wenn sie im ersten Moment zufällig erscheinen - der Inspiration, von den vielfältigen Entdeckungsreisen desjenigen, der sehbegabt und aufnahmebereit sowie besonders neugierig ist:
"Diese untergetauchte Welt ist kein totes Atlantis […]. Sie ist erblüht aus Vulkanen, die, obwohl sie nicht die Ebene des Bewusstseins erreichen, trotzdem dieses Bewusstsein beeinflussen, also das ganze individuelle und kollektive Leben. Der Surrealismus ist mitten in der Sintflut Dada geboren, als die Arche gegen eine Bergspitze stieß. Da die Seeleute aber nicht die geringste Lust hatten, ihr Schiff zu reparieren oder sich auf der Insel niederzulassen, haben sie es vorgezogen, einen Kopfsprung zu machen. Dank der automatischen Schreibweise, den Collagen, den Frottagen und all den Prozessen, die den Automatismus und die irrationale Erkenntnis fördern, haben sie den Grund dieses unsichtbaren und wunderbaren Universums berührt, ›das Unterbewusstsein‹, um es in seiner ganzen Realität darzustellen. Kein Taucher weiß vor seinem Sprung, was er zurückbringen wird. Ebenso sucht sich der Maler seine Sujets nicht aus. Sich ein solches aufzubürden, wäre es noch so subversiv, noch so außergewöhnlich, und es auf eine akademische Weise zu behandeln, ließe nur ein Werk von geringer revolutionärer Bedeutung entstehen."

Wir haben gerade von automatischen Arbeitsprozessen gehört, die die Erkenntnis forcieren, anschaulich gemacht durch den Satz "Kein Taucher weiß vor seinem Sprung, was er zurückbringen wird". Dieses Bild wird in dem zweiteiligen Ausstellungstitel "abgesunken - aufgetaucht" einerseits aufgegriffen und als Introspektion gespiegelt. Andererseits hat Willi Frommberger den im Text erwähnten Arbeitsprozessen durch seine Filtrationen, durch Schüttungen und Schichtungen, durch seine Tropfanordnungen, durch Abdrücke oder Verdunstungen völlig neue, automatisch ablaufende Versuchsanordnungen hinzugefügt und somit losgelöst vom Surrealismus für sich sowie für uns aktualisiert. Die lange Hauptwand des Ausstellungsraumes ist zwei Serien mit jeweils vier Leinwänden vorbehalten, durch die der kontemplativ-meditative Nukleus seiner Werke offenbar wird. Und auch in der filmischen Dokumentation, die hier zu sehen ist, lässt sich beobachten, wie im zeitlichen Entstehen der Serien eine sukzessive Annäherung erfolgt, ein sachliches, aber doch behutsames Einfühlen in die verwendete Materie stattfindet, ein Eintauchen, ein Vordringen zu den Elementen. Auf der einen Seite beherrscht ein schwarzer Farbton in körniger Struktur die vier gleichgroßen Formate, auf der anderen Seite sind vier ebenfalls gleichgroße Bilder mit rötlichen Arealen und gleichfalls geschwungenen Außenkonturen versehen. Willi Frommberger nutzte einerseits Moor als Arbeitsmaterial und andererseits Ablagerungen vom in die Erft mündenden Rotbach, dessen Wasser durch den hohen Eisengehalt des Gebietes nach starken Regenfällen und entsprechender Oxidation eine rot-bräunliche Färbung erhält. Wir wären also wieder beim anfangs erwähnten Urschlamm.

Aber der künstlerische Kosmos, der für diese Introspektion ausgewählt wurde, ist nicht nur auf unsere Erde fixiert. Denn wir sehen auch drei Blätter aus dem aktuellen, ebenfalls mehrteiligen "Mars"-Zyklus, der im Laufe der letzten Jahre entstanden ist. Aktueller Hintergrund für diese Serie ist der Nasa-Rover "Curiosity", der seit 2012 den roten Planeten erforscht und detailgenaue Bilder und Informationen zur Erde funkt. Willi Frommberger dagegen griff zur Entstehung seiner kleinformatigen Visionen jedoch auf etwas gleichfalls verblüffendes, aber wesentlich bodenständigeres zurück. Der konkrete Ausgangspunkt seiner Blätter ist ein Einmachglas, das im Atelier auf der Heizung steht. Lose zusammengerollt steckte er von Zeit zu Zeit mehrere Bildträger in das mit flüssiger Aquarell-Farbe gefüllte Weckglas, holte nach Tagen die Blätter wieder hervor, die nun durch die Verdunstungsvorgänge um rötlich schimmernde Ablagerungen erweitert worden waren. Anschließend überarbeitete er die Texturen und deutete sie zu schroffen, ruppigen, scheinbar pulsierenden und sozusagen glühend heißen Felsformationen oder Schichtungen aus.

Was also ist der Kern, der Nukleus dieses historisch-künstlerischen Phänomens Frommberger, dessen Spitze hier für unsere Augen konzentriert wahrnehmbar ist? Um es zum Abschluss mit knappen Worten auf den Punkt zu bringen: Der Kern ist einerseits eine den Elementen, der Erde, dem Wasser verbundene offene und wache Neugierde, andererseits ein stetes Einfühlen in die Materie, in unterschiedlichste Materialien und Strukturen. Oder, um es mit den Worten von Willi Frommberger zu formulieren: "Ich seh' schon wieder etwas drin."
 

Bilder von der Eröffnung



Ausstellung BKV Willi Frommberger
Der Künstler Willi Frommberger

Ausstellung BKV Willi Frommberger

Ruth und Willi Frommberger




Ausstellung BKV Willi Frommberger
Viele Freunde und Weggefährten des Künstlers kamen zur Eröffnung.



 



Ausstellung BKV Willi Frommberger
Ein Schüler der Musikschule spielte zur Eröffnung

Ausstellung BKV Willi Frommberger

Dr. Jürgen Pech vom Max Ernst Museum führte mit einem kurzweiligen Vortrag in die Ausstellung ein.



Ausstellung BKV Willi Frommberger
Gaby Zimmermann eröffnete die Ausstellung

 

Bilder aus der Ausstellung



Ausstellung BKV Willi Frommberger


Ausstellung BKV Willi Frommberger



Fotos: G.M.Wagner


 



Ausstellung BKV Willi Frommberger


Ausstellung BKV Willi Frommberger