Brühler Kunstverein
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Wibke Rahn - Homestory

Plastik, Installation, Fotografie

Ausstellung vom 23. Oktober bis 14. November 2015

Die Leipziger Künstlerin Wibke Rahn arbeitet auf der Schnittstelle zwischen Plastik, Installation und Fotografie. In der Brühler Ausstellung konzentriert sie sich besonders auf die Verschiebung des Schwerpunktes von der Organisation von Lebewesen zur Organisation von Lebensraum. Zunehmend durchstrukturierte, funktionale Landschaften werfen die Frage auf, inwieweit sich Nicht-Orte in immer mehr Bereiche unseres Lebens ausdehnen. Das Unbehagen angesichts solcher Unorte, vielleicht ein Gefühl der Heimatlosigkeit, ist zentrales Anliegen in den aktuellen architektonischen Arbeiten. So baut die 38-Jährige Häuser und Behausungen und schickt ihre Objekte auf Reisen, stellt sie auf Felder oder in Industrielandschaften, auf Flughafenrollfelder oder Autobahnen auf.

Dazu schreibt sie selbst: "In plastischer und fotografischer Arbeit interessieren mich die Brüche, die die Dinge auf den zweiten Blick offenbaren. Holzoberflächen sind aus Stahlbeton gegossen, eine Reihung verändert an sich heimelige Holzhütten zur monotonen Siedlung, geschichtete Architekturobjekte werden zu einem leuchtenden, abstrakten Raster. Auch die Fotografien sind auf den ersten Blick romantische Nachtstücke, die erleuchteten Häuser vermitteln ein Gefühl von Nachhausekommen und Aufgehoben sein. Sieht man genauer hin, trügt dieser Schein."

Die aktuellen plastischen und Fotografie-Arbeiten im Brühler Kunstverein sind aus der Konfrontation mit den wachsenden Nicht-Orten in der Landschaft um Leipzig entstanden. Ihre Ergebnisse treffen sich mit der Aussage des französischen Ethnologen Marc Augé, der Nicht-Orte als sinnentleerte, transitorische Funktionsorte bezeichnet. Sie seien Zeichen eines kollektiven Identitätsverlustes, "Orte des Ortlosen". "Der Raum der Nicht-Orte schafft Einsamkeit und Gleichförmigkeit" so Augé.

Kurzbiografie
Wibke Rahn, 1977 in Leonberg geboren, studierte von 2004 -2009 an der Hochschule für Kunst und Design Halle/Saale, u.a. bei Prof. Christiane Triebsch (Klasse Glas, Objekt, Bild, Raum). Sie lebt und arbeitet derzeit in Leipzig.


HOMESTORY

Wir sind im Leben auf der Suche.
Immer noch irgendwie auf der Suche nach Nahrung.
Nach Liebe, selbst wenn wir sie gefunden haben.
Auf der Suche sind wir immer auch nach einem Zuhause, nach Heimat, nach einem Ort, wo wir Essen und Lieben können, in welcher Reihenfolge auch immer.

Das ist das Thema der Künstlerin, Wibke Rahn, aus Leipzig. Wibke Rahn stellt Orte her, oder Orte nach oder Orte vor oder was auch immer. Ich habe gelesen, dass ihre Arbeiten aus der Konfrontation mit den wachsenden Nicht-Orten in der Landschaft um Leipzig herum entstanden sind. Laut den französischen Ethnologen Marc Auge sind Nicht-Orte sinnentleerte, transitorische Funktionsorte im Zeichen eines kollektiven Identitätsverlustes.

Ich sehe das und wiederum auch nicht. Wibke Rahn schafft für mich etwas viel Sinnlicheres. Sie kreiert erst einmal Behausungen, mit Fundstücken und Zement, liebevoll. Es sind Rohbauten, irgendwie. Aber wenn man ein wenig gereist ist, so ist das Rohe doch sehr lebendig, in Griechenland, oder der Türkei oder in Ägypten, Tunesien. Das Rohe ist ein Projekt, was für das Leben steht, es ist nicht fertig, es braucht noch Zeit und es hat diese Zeit. Da ist halt gerade kein Geld da, weil Krieg ist oder Krise oder eben wieder beides.
Grau ist die vorherrschende Farbigkeit. Grau ist ehrlich. Es gaukelt uns nichts vor. Grau tut nicht fröhlich, zeigt kein übertriebenes Lachen. Grau ist schön, auf den zweiten Blick, farbiger als vermutet und es ist halt nicht schwarz/weiß, es ist differenziert, es ist reich. Wibke Rahns Behausungen scheinen leer zu sein, aber wir füllen sie, mit dem was da stattfinden könnte, mit den Leben halt, mit dem sich nahrhaft Lieben, oder hungernd sich Sehnen oder dem einfachen Sein, welches nicht alle fünf Minuten danach fragt, ob ich jetzt glücklich oder unglücklich bin - wir füllen diese Behausungen und sie hören für mich auf, Nichtorte zu sein. Sie können gar keine Nichtorte sein, weil Wibke Rahn eine Bildhauerin ist, Gott sei Dank, die ihre Lebenskraft einsetzt, um die Dinge zu tun, da ist Leben drin, und das sieht man am Ende, ob man will oder nicht, und da ist Hoffnung darin.

Dann gehen diese Orte auf Reisen und es entstehen Fotografien. Landschaften mit Häusern. Weite Landschaften, die karg sind, die nichts Blühendes haben, vom Winde verweht sind. Die vielleicht von Einsamkeit künden für Leute, nicht gerne einmal allein sind, die den vollen Strand dem leeren vorziehen, für Leute die sich selbst nicht aushalten. Für alle anderen sind es Orte der Sehnsucht, des sich Besinnens, des Trostes, der Einkehr. Diese Fotografien haben eine archäologische Komponente, diese kündet nicht vom NICHTS, sondern kreiert Fragen nach dem was da war, was da ist, was da sein könnte.

Da wo das Leben abwesender scheint als anderswo ist es am Ende doch sehr präsent, vielleicht sogar deutlicher. Wibke Rahn erzeugt in ihren Arbeiten eine entrückte Stille, die Konzentration ermöglicht, die die Dinge leise sprechen lässt. Ihr Schwingen zwischen den verschiedenen Medien führt zu angereicherten Formulierungen, intelligent und sinnstiftend.
Tauchen Sie ein in Wibke Rahns ambivalente Welt, die jenseits des rein Dekorativen essentielle Fragestellungen unserer Zeit bereithält.

Bearbeitet nach der Einführung von Prof. Jens Gussek





aus der Reihe SHELTER, <br>
c-print/diasec, 2014, 60x110cm © VG Bildkunst

Wibke Rahn: aus der Reihe SHELTER,
c-print/diasec, 2014, 60x110cm © VG Bildkunst


 

Bilder von der Eröffnung

Wibke Rahn - Homestory
Die Vorsitzende Gaby Zimmermann begrüßt die Vernissage-Besucher und die Künstlerin Wibke Rahn (l) sowie Prof. Jens Gussek

Wibke Rahn - Homestory


Wibke Rahn - Homestory
Besucher der Vernissage


Blick in die Ausstellung


Wibke Rahn - Homestory


Wibke Rahn - Homestory



Bilder: G.M.Wagner


 

Wibke Rahn - Homestory
Die Künstlerin Wibke Rahn und Prof. Jens Gussek, der in das Werk einführte


Wibke Rahn - Homestory


Wibke Rahn - Homestory
Dr. Carola Hagnau (l), die 2. Vorsitzende, im Gespräch mit einer Besucherin



 

Wibke Rahn - Homestory


Wibke Rahn - Homestory